EuGH konkretisiert Voraussetzungen für Schadensersatz

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) konkretisiert mit zwei weiteren wichtigen Entscheidungen im Dezember die Voraussetzungen für Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO. So fallen auch subjektive, immaterielle Schäden unter den Schadensbegriff der DSGVO. Den Schaden beweisen muss die betroffene Person.

In seiner ersten Entscheidung (Urt. v. 14.12.2023 – Az.: C‑340/21) führt der EuGH zum Schadensbegriff aus, dass bereits die Befürchtung missbräuchlicher Datenverarbeitung einen immateriellen Schaden darstellen kann:

„Eine Auslegung von Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin, dass der Begriff „immaterieller Schaden“ im Sinne dieser Bestimmung keine Situationen umfasst, in denen sich eine betroffene Person nur auf ihre Befürchtung beruft, dass ihre Daten in Zukunft von Dritten missbräuchlich verwendet werden, wäre jedoch nicht mit der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für natürliche Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in der Union vereinbar, die mit diesem Rechtsakt bezweckt wird. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, nachweisen muss, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2023, Österreichische Post [Immaterieller Schaden im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten], C‑300/21, EU:C:2023:370, Rn. 50).

Insbesondere muss das angerufene nationale Gericht, wenn sich eine Person, die auf dieser Grundlage Schadenersatz fordert, auf die Befürchtung beruft, dass ihre personenbezogenen Daten in Zukunft aufgrund eines solchen Verstoßes missbräuchlich verwendet werden, prüfen, ob diese Befürchtung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden kann.

Nach alledem ist (…) zu antworten, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass allein der Umstand, dass eine betroffene Person infolge eines Verstoßes gegen die DSGVO befürchtet, dass ihre personenbezogenen Daten durch Dritte missbräuchlich verwendet werden könnten, einen „immateriellen Schaden“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen kann.“

In seiner zweiten Entscheidung (Urt. v. 14.12.2023 – Az.: C‑456/22) stellt der EuGH klar, dass der Schadensbegriff der DSGVO auch rein subjektive Schäden erfasse:

„Somit kann nicht angenommen werden, dass über diese drei (in Rn. 14 des vorliegenden Urteils genannten) Voraussetzungen hinaus für die Haftung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO weitere Voraussetzungen aufgestellt werden dürfen, etwa die, dass der Nachteil spürbar oder die Beeinträchtigung objektiv sein muss. Folglich verlangt Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht, dass nach einem erwiesenen Verstoß gegen Bestimmungen dieser Verordnung der von der betroffenen Person geltend gemachte „immaterielle Schaden“ eine „Bagatellgrenze“ überschreiten muss, damit dieser Schaden ersatzfähig ist. Zudem steht eine solche Auslegung mit einem der Ziele der DSGVO im Einklang, namentlich demjenigen, innerhalb der Union ein gleichmäßiges und hohes Niveau des Schutzes natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten. Würde der Ersatz des Schadens von einer Erheblichkeitsschwelle abhängig gemacht, könnte dies nämlich die Kohärenz der mit der DSGVO eingeführten Regelung beeinträchtigen, da die graduelle Abstufung einer solchen Begrenzung, von der die Möglichkeit, Schadenersatz zu erhalten, abhinge, je nach Beurteilung durch die angerufenen Gerichte unterschiedlich hoch ausfallen könnte (…).

Eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie nachteilige Folgen gehabt hat, muss jedoch den Nachweis erbringen, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen (…). Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung reicht nämlich nicht aus, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (…).

Nach alledem ist auf die Frage zu antworten, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift oder ‑praxis entgegensteht, die für einen durch einen Verstoß gegen diese Verordnung verursachten immateriellen Schaden eine „Bagatellgrenze“ vorsieht. Die betroffene Person muss den Nachweis erbringen, dass die Folgen dieses Verstoßes, die sie erlitten zu haben behauptet, ursächlich für einen Schaden waren, der sich von der bloßen Verletzung der Bestimmungen dieser Verordnung unterscheidet.“